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Waldgewerke und Kreisläufe

Quelle: Siegfried Schwanz – Chronik Kleinzerlang 1752 – 2002 erschienen bei der Edition Rieger

 

So faszinierend und romantisch auch die eiszeitgeformte Landschaft um Kleinzerlang herum anmuten mag, die bäuerlichen Siedler und Handwerker mit eigenem Boden mussten sich sehr plagen, um den kargen Sander-, Heide- und Trockenrasenflächen wenigstens spärliche Erträge abzuringen.


Diesen Bedingungen geschuldet wurde der Wald als weitere Erwerbsquelle entdeckt. Neben der Weidehaltung des Viehs in den Eichen- und Buchenwäldern entwickelten sich Waldgewerke wie das Teerschwelen, die Köhlerei, das Harzen und als Folge der Stammholzgewinnung das Flößen


Der erste Teerofen stand schon vor der eigentlichen Wiederbesiedlung am Pälitzsee. Der „Theerbrenner Meister Barthel Berckholtz“ verkaufte sein Teer zum Haltbarmachen von Fachwerk, Pfählen, Fischernetzen und Garnen, auch zum Abdichten von Kähnen, Fässern oder Eimern, zur Herstellung von Fackeln, als Schmiere von Wagenrädern oder Mühlengetrieben. So wundert es heute nicht, dass mindestens zehn Teerofenreststellen (zwischen 100 bis 300 Jahre alt) nördlich von Rheinsberg gefunden wurden. Ein so vielseitiger Werkstoff musste eben in großen Mengen möglichst vor Ort hergestellt werden. Dabei war die Produktion damals äußerst aufwendig.


„Die Kuppel des Ofens war doppelwandig aus Ziegesteinen gemauert, die Außenwand zur Stabilisierung und Wärmedämmung bis zu drei Vierteln ihrer Höhe mit Erdreich aufgeschüttet. Zwischen Innen- und Außenmauer blieb ein Hohlraum für die Feuerung mit Brennholz. Zunächst musste die innere Kuppel, der Schwelraum, mit zerkleinerten, sehr kienigen Kiefernstubben gefüllt und seine Öffnungen danach mit Lehm verschlossen werden. Danach wurde das Brennholz entzündet und die Hitze mit Hilfe von Abzugsluken umlaufend verteilt. Das Feuer war Tag und Nacht zu unterhalten. Nach mehreren Tagen tropfte das Harz bei etwa 500°C als gelblichbräunliches Kienöl und schwarzer Teer nach unten. Auf der zur Mitte geneigten Bodenplatte lief es ins Abflussloch und weiter durch eine Röhre unter der Erde in den Teertrog. Der Prozess dauerte mindestens drei Wochen. Die dabei erzeugte Holzkohle verwendete der Dorfschmied bei seiner Handwerksarbeit.“ (Dorfchronik)

 

Außer Weideland, Wild oder kienigem Wurzelholz lieferte der Wald neben natürlichen Nahrungsmitteln weitere wertvolle Rohstoffe.  Harz z.B. aus verschiedenen Baumarten war schon seit Jahrtausenden bekannt. Nach dem allmählichen Niedergang der Teerschwelerei entwickelte sich hierzulande im vorigen Jahrhundert der Bedarf nach dem wertvollen Harz der Kiefern. Für viele Industrieprodukte, wie Lacke und Farben, war es der Rohstoff schlechthin. Die schier unendlichen Waldflächen um Kleinzerlang herum boten sich geradezu an zur Harzgewinnung, zumal die Forstwirtschaft durch Kiefernmonokultur beim Aufforsten stets für das Nachwachsen von kräftigen Stämmen sorgte. Geharzt wurde an etwa 80jährigen Bäumen, die ca. 5 Jahre danach zum Einschlag kamen. Da die Harzgewinnung etwa bis 1960 aktuell war, bevor die chemische Industrie den Naturrohstoff verdrängte, konnte der ehemalige Harzer Bruno Draegert aus Kleinzerlang seine Arbeit noch selbst erklären, so wie sie seit Hunderten von Jahren Tradition hatte:
„Sobald der Winter es zuließ, begann ich mit dem Röten. Dabei entfernte ich mit dem Bügelschaber an der Südostseite jeder Kiefer ein halbes Meter über dem Erdboden die dicke Borke, so dass deren rötlich-braune Unterschicht zu sehen war. Den Bast darunter durfte ich nicht beschädigen. Diese abgeschabte und geglättete Fläche nennen wir Harzer Lachte. War der Stammdurchmesser größer als 30 cm, dann musste ich auf der Rückseite eine zweite Lachte schaben. Nach dieser Vorbereitung begann mit der Wachstumsperiode im April für uns die eigentliche Harzung. In der Mitte jeder Lachte schnitt ich mit dem Tropfenzieher eine senkrechte, etwa 5 mm tiefe Abflussrinne. Von dort zog ich – in der Rinne unten ansetzend – schräg nach oben beidseitig der Rille den ersten Riss, schlug unten am Rinnenauslauf einen Metalltopfhalter in den Stamm und hängte dort das blumentopfähnliche Auffanggefäß ein. Bald rannen die ersten Harztropfen in den Topf. Nach fünf Tagen waren die ersten Risse ausgeblutet, ich zog parallel darüber den nächsten Riss usw. Unsere Harzung dauerte bis in den Oktober hinein. In guten Harzungsjahren kam ich auf 20-28 Risse je Baum und konnte fünf bis sechs Fässer füllen.“ (Dorfchronik)

 

Hatten die Harzer ihr Werk getan, erfolgte der Einschlag. Rückpferde zogen die mächtigen, gerade empor gewachsenen Stämme zur einer Ablage am See. Alte Flurnamen in Wanderkarten deuten noch auf die Sammelstellen hin, wie z.B. Pälitz-, Dollgow-, Bikow- oder Prinzenablage. Von dort wurden sie ins Wasser gerollt, damit das wertvolle Holz nicht austrocknen oder reißen konnte. Was davon nicht sofort im Kleinzerlanger Sägewerk verarbeitet wurde, gelangte in Langholzflößen über den billigen Wasserweg an seinen Bestimmungsort. In den Gründerjahren war die Baubranche in den großen Städten Hauptabnehmer. Durch die vom kaiserlichen Reichswasserstraßenamt veranlassten Kanal- und Schleusenbauten zwischen den zahlreichen Seen der Region waren Wasserstraßen nach Hamburg, Berlin, Stettin oder Potsdam entstanden. Damit wurde die Flößerei neben den beiden Zerlanger Ziegeleien zum wichtigsten Zuliefergewerke für den Fabrik- und Städtebau der Gründerzeit.


Waldkreisläufe waren entstanden, die fast bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hier in der Region funktionierten: Die Forstarbeiterinnen, hier Kulturfrauen genannt, zogen in Pflanzgärten die Kiefernsämlinge heran, setzten in Schonungen mit Hand die jungen Bäumchen und pflegten noch viele Jahre die angepflanzten Kulturen. Durch kontrollierten Einschlag entwickelte sich nach Jahrzehnten ein kräftiger, gesunder Hochwald. Und dann kamen die Köhler, Harzer, Flößer und Sägewerker, die nicht selten mit einer Kulturfrau eine Familie gegründet hatten, um das Holz und seine Rohstoffe zu gewinnen. In der Kleinzerlanger Ortsgeschichte spiegeln sich derartig verflochtene Kreisläufe von Mensch und Natur in wider, unterhaltsam nachzulesen in der im Buchhandel erschienenen „Ortschronik Kleinzerlang1752-2002“.

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